Einen Vorspann gibt’s jetzt auch im „Seemannsgarn“ nicht mehr, denn man muss halt mit der Zeit gehen – so wie Claudia Tröster, die nach 41 Jahren Zeit genug in der Medienlandschaft in Oberösterreich und Salzburg verbracht hat.
1981 fing sie beim legendären Ernst-Hans Kühne in der Pressestelle der oö. Wirtschaftskammer, damals Handelskammer, an und verabschiedete sich bereits im nächsten Jahr zum „Tagblatt“, Untertitel „Organ für die Interessen des werktätigen Volkes“, was nicht so ganz in die Karrierevorstellungen passte, die ihr Ex-Chef für seine Schützlinge gehabt hätte. Dafür nahm sie nun der nicht minder legendäre Hermann Czekal unter seine Fittiche, der ihr gleich bei ihrem ersten Spätdienst, bei dem sie in einen Druckerstreik geriet, den weisen Rat gab: „Nimm dir a Wurschtsemmel und a Bier und wart, bis a vorbei is.“
Obwohl Claudia bereits den künftigen „Seemannsgarn“-Herausgeber Bock kannte, zog sie es 1983 vor, mit Harry Zeilinger zur „Salzburg-Krone“ zu gehen, wo es in ihrem Büro zwar nur eine einzige mechanische Schreibmaschine für zwei Leute gab, aber auch ein Fax-Gerät. Damals ein technisches Wunderwerk, über das beim „Tagblatt“ nur die ausländischen Agenturmeldungen gekommen waren. Bei der „Krone“ gelang es Claudia, sogar mehrere Seiten eigenhändig zu faxen.
Doch nicht nur das lernte sie: Unter der fordernden Führung von Georg Novotny, der seine Leute mitunter heulend aus der Konferenz gehen ließ, aber auch sein Lob über gute Arbeit bis zu Hans Dichand nach Wien trug, lief Claudia zur journalistischen Höchstform auf – nicht zuletzt, weil es bei Novotny, wenn etwas los war, „Ausfahren!“ hieß. In Claudias Fall mit ihrem alten VW Käfer, der sie ohne Navi bis ins tiefste Gebirge brachte.
Unter anderem zum Frühstück mit Annemarie Moser-Pröll und LH Wilfried Haslauer senior, dessen Frau Thesi (Theresia) sie „Daisy“ (wie Duck) schrieb, was er ihr aber nicht übel nahm, im Gegenteil: Bei Claudias größter Salzburger Geschichte, handelnd von einem Primararzt im LKH, der eine Totgeburt mit Durchfall verglichen hatte, stellte er sich gegen die Verehrer des Gottes in Weiß auf die Seite der jungen Lokalredakteurin, zuckte aus, als eine für „ihren“ Primar demonstrierende Krankenschwester sie anspuckte, und hielt auch noch zu ihr, als Hildegard Knef ihr telefonisch die Leviten las.
Obwohl später auch prominente Kollegen mitmischten, war es für Novotny immer Claudias Geschichte. Sie endete damit, dass der Primar in Pension geschickt wurde.
Weniger erfolgreich verlief Claudias Karriere im Sport, wo sie sich gleich bei ihrer ersten und letzten einschlägigen PK mit der Frage blamierte, wie die Fußballschüler im Sportgymnasium Fußball lernen sollen, wenn es nur zwei von ihnen gibt, und in der Praxis als Filmträgerin während eines Matchs schräg über das Spielfeld latschte, worauf der Schiri abbrechen musste.
So kam endlich das Jahr 1986, in dem Claudia und Harry, nunmehr verheiratet, nach Linz zurückkehrten und Claudia eine neue Aufgabe bei Max Stöger in der frisch gegründeten Beilage der „OÖ Krone“ bekam.
Gehalten hat beides nicht: Die Beilage bekam immer mehr Mitarbeiter, unter ihnen Erik Famler und Hedwig Savoy, von der Claudia gedacht hatte, sie müsste um die 70 oder 80 sein, weil es von ihr so viele Geschichten aus ihrer früheren Zeit bei der „Krone“ gab, doch nach etwa sechs Jahren wurde die Beilage eingestellt. Und Claudias Ehe ging ebenfalls in die Brüche. Werner Pöchinger war, wie sich später herausstellte, auch nicht der Richtige, aber der wahre Mann ihrer Träume war damals noch vergeben.
Beruflich ging es dafür weiter bergauf. Zunächst als Beiwagerl bei Elfi Hanner und Milli Hornegger tätig, übernahm Claudia nach Elfis Pensionierung das Gerichtsressort. Erste Erfahrungen damit hatte sie bereits beim „Tagblatt“ gemacht. Bei einem Zuhältermord-Prozess lernte sie 1982 den „alten Stern“ kennen, Anwalt Michael Stern (1897-1989), der damals 51 Jahre Gericht hinter sich hatte.
Claudia kam immerhin auf fast die Hälfte. 25 Jahre lang berichtete sie aus den Gerichtssälen ganz Oberösterreichs und erwarb sich dabei einen exzellenten Ruf sowohl in Journalisten- als auch Juristenkreisen. Zum Teil liegt das wohl an ihrer gewinnenden Art und ihrem Geschick im Umgang mit Menschen, vor allem aber an ihrer seriösen Berichterstattung, dem Fachwissen, das sie sich nach und nach aneignete, und nicht zuletzt an ihrer persönlichen Integrität, die ebenso wie von Richtern und Anwälten auch von Angeklagten geschätzt wurde, die sich auf ihre Fairness immer verlassen konnten.
Die großen Prozesse, über die Claudia berichtete, vollständig aufzuzählen, ist unmöglich. Zu den Highlights zählen sicher der eng mit der „Krone“ verbundene Fall Tibor Foco, in dem sie zwar nicht bei der Hauptverhandlung, die noch vor ihrer Zeit stattfand, aber beim Wiederaufnahmeverfahren seines mutmaßlichen Komplizen Hans-Peter L. dabei war, der dabei – ursprünglich zu 18 Jahren Haft verurteilt – freigesprochen wurde.
Oder die Leiche ohne Kopf, ein Prozess gegen einen 70-jährigen Mühlviertler, der seine junge Geliebte erschossen und ihren Körper auf dem Weg nach Italien verteilt hatte. Was mit dem Kopf geschah, wurde nie geklärt. Es hieß, der Täter hätte ihn seiner Frau gebracht, die ihn verbrannt haben sollte, doch dafür gab es keine Beweise.
Pech für Anwalt Andreas M., der mit der „alter Mann von junger Frau finanziell ausgenommen“-Masche ein mildes Urteil für seinen Mandanten erreichen wollte: Der Typ war dafür einfach zu unsympathisch. Er bekam 15 Jahre aufgebrummt.
Ihr tragischster Fall, über den Claudia sagt, dass er sie auch für den Rest ihres Lebens beschäftigen wird, war aber der „Oma-Mord“ in Taufkirchen an der Pram 2012. Ein 18-Jähriger, angestiftet von seinem Großvater (72), hatte mit Axthieben und Messerstichen seine Großmutter getötet, mit der er immer ein gutes Verhältnis gehabt hatte. Aber der Opa wollte seine Frau loswerden. „Die Oma muss weg, sonst mache ich dir das Leben zur Hölle“, soll der ehemalige Schuldirektor und Ehrenbürger seiner Gemeinde nach Aussage des Burschen gedroht haben.
Noch in der Berufung bestritt er das, doch die Ersturteile des Landesgerichts Ried, bei dessen Verhandlung immer mehr Details über die Zerrüttung der vom Großvater dominierten Familie ans Licht gekommen waren, wurden bestätigt: 18 Jahre für ihn, zwölf für den Enkel.
Claudias Quellen zufolge soll der nun 28-Jährige, der ebenso Opfer wie Täter war, wieder frei sein. Er hat einen neuen Namen. Es geht ihm gut.
Mord und Häfen sind keine wirklich passenden Themen für ein fröhliches „Seemannsgarn“, daher now for something completely different:
Claudia war auch die einzige dem „Seemannsgarn“ bekannte Redakteurin, die mit einem gerichtlichen Sachverständigen für Zauberei zu tun hatte.
Nein, auf der Anklagebank saß nicht Harry Potter, vielmehr ging es um Glücksspiel, mit dem der Sachkundige ebenfalls vertraut war. Dem Gnackwatschen-Experten Dimi D. aus Linz wurde vorgeworfen, es illegal betrieben und anfallende Spielschulden noch illegaler eingetrieben zu haben. Dimi ist doppelt so schwer wie der Autor dieser Zeilen, also lassen wir den Ausgang offen.
Mit Dimis Familie hat sich Claudia im Gerichtsbuffet recht nett unterhalten und auch später grüßte sein Sohn immer freundlich, wenn er ganz zufällig in ihrer Straße auftauchte. Ob er wusste, wo ihr Haus wohnt, oder nicht – er hatte immer öfter in der Nähe zu tun, je weniger Claudias Berichte mit Dimis Vorstellungen harmonierten.
Kurze Zeit später übersiedelte Claudia, wobei ihr zugute kam, dass inzwischen ein paar Mormonen versucht hatten, sie zu bekehren. Seit sie nämlich nicht mehr Krieg gegen die US-Armee führen oder andere Siedler massakrieren, sind die Heiligen der Letzten Tage ganz nette Leute, die Claudia sogar beim Umzug halfen. Mit ihrem Missionsauftrag sind sie bei ihr trotzdem gescheitert.
Zurück zu den dunklen Tagen im Leben einer Gerichtsredakteurin:
Der 10. März 1995 kostete auf dem Bezirksgericht Urfahr fünf Menschen das Leben. Die Richter Eugen Kordik und Erwin Streinesberger, Anwalt Alfred Eichler, Zeugin Heidemarie Schinkinger und Ludwig Schürz, der freigesprochene Beklagte und Nachbar des Täters, starben durch die Schüsse aus einer Pistole, die der 63-jährige Rudolf Kehrer mit in den Gerichtssaal gebracht hatte. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Kehrer konnte fliehen und erschoss sich in seinem Haus in Bad Mühllacken.
Claudia war nicht direkt dabei, Bezirksgerichtsfälle waren selten ihr Ding, doch sie half den Lokalisten beim Recherchieren während des Polizeieinsatzes und erlebte so alles hautnah mit.
Und ihr Berufsalltag veränderte sich nachhaltig. Hatte sie früher gesehen, wie ein Mörder in Ketten im unbewachten Landesgericht vorgeführt worden war, so gab es ab nun Zugangskontrollen. Dabei wurde ihr einmal ein gefährlicher Gegenstand abgenommen, der als „Sonstiges“ in die Statistik Eingang fand. Es handelte sich um den Ceranfeld-Schaber aus ihrer Küche, den sie zum Entfernen der alten Autobahnvignette mitgeführt hatte. In der Schleuse beobachtete sie einen auffallend korpulenten Anwalt, dem die Sprachausgabe die Anweisung gab: „Bitte nur einzeln eintreten.“
So folgt auf den Schrecken gleich wieder Fröhliches, denn wie es schon beim „königlich-bayerischen Amtsgericht“ hieß: „Das Leben geht weiter, ob Freispruch oder Zuchthaus.“
Und wie es weiter ging: 1996, als Claudia bei der Aubesetzung in Lambach auf Bock traf, kam es zu einem Moment, den die deutsche Klaus Lage Band so intellektuell mit „und dann hat’s Zoom gemacht“ beschrieben hat. Aus einer Freundschaft, die die beiden zwischen Spätdienst und Auf-Urteile-Warten geknüpft hatten, wurde mit einem Schlag Liebe, die ihr der damals noch verheiratete Bock aber erst drei Jahre später eingestand. Richard Schmitt bekam als erster Wind davon, Fotolegende Horst Egger brauchte etwas länger. Erst drei Wochen, nachdem er bei Claudia eingezogen war und alle anderen längst Bescheid wussten, klärte ihn Bock darüber auf.
Ein Jahr später waren Claudia und Bock verheiratet und bekamen ihre Tochter Emma, die von klein auf eng mit der „Krone“ verbunden war und oftmals aus der Zeitung herauslachte – etwa als Werbeträgerin fürs „Krone“-Fest, das sie schon miterlebt hat, als es in Linz noch gar keines gab und Claudia samt Anhang zum Recherchieren nach Graz geschickt wurde. Heute studiert Emma dort Transkulturelle Kommunikation (Englisch, Spanisch und Gebärdensprache) und hat bereits den ersten Bachelor-Titel.
Horst Egger, langjähriger Weggefährte von Claudia und guter Freund von uns allen, und eines seiner Hauptwerke: Claudia und Bock mit frischer Emma
(Horsts Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke, daher macht es ausnahmsweise Sinn, einen leeren Fleck unter dem Bildtext zu lassen)
Dass Emma begeisterte Pfadfinderin ist, hatte unerwartete Folgen, als das Land Oberösterreich beschloss, die Jugendgruppen abzuzocken, die landeseige- ne Grundstücke nutzten. So auch die Pfadfindergruppe „Linz 2“, die sich die Miete für ihr Heim nicht mehr hätte leisten können, sich gezwungen sah, es zu kaufen, und dafür eine Spendenaktion ins Leben rief. Claudias Bericht darüber wurde so viel gelesen, dass sich genügend Spender für die ziemlich hohe Kaufsumme fanden – ein Erfolg, mit dem niemand gerechnet hatte, der aber einmal mehr zeigt, wie hilfreich ein gutes altes Printmedium sein kann.
Für Claudia nichts Neues, betreute sie doch neben ihrer Gerichtstätigkeit auch viele Jahre lang die oberösterreichischen Fälle der Ombudsman-Redakti-on, die meiste Zeit unter – schon wieder eine Legende – Helmut Zilk, mit dessen Unterstützung sie zahlreichen Landsleuten bei den verschiedensten Problemen helfen konnte.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Claudia, wenn sich ihre Bürokollegin, beste Freundin und Emma-Patentante Milli Hornegger einen freien Tag oder Urlaub gönnte, deren Agenden übernahm und so auch in der Kulturszene bekannt wurde. Den damaligen Kulturreferenten LH Josef Pühringer traf sie später bei seinen vielen Seniorenbund-PKs wieder, um die es 2022 aber plötzlich still wurde.
Umso lauter spiegelte sich die Politik vor Gericht, wo zu den üblichen Ganoven immer mehr Terrorsympathisanten und Staatsverweigerer kamen.
Als Claudia 2018, ohne die Prozessberichterstattung aufzugeben, in die Lokalredaktion versetzt wurde, kam zu ihren Aufgaben auch noch diejenige dazu, sich etwas einfallen zu lassen, wenn nichts los war. Dabei schrieb sie – auch zu Geschichten von Kollegen – mindestens so viele „Ob der Enns“, wie sie im Lauf der Zeit Frauenseiten gestaltet hat. Oder auch mehr.
Mit der Corona-Pandemie begann 2020 in der „Krone“ die Home Office-Ära und brachte eine der letzten, nicht unpraktischen Veränderungen in Claudias Berufsleben mit sich.
In dessen Verlauf hatte sie es übrigens mit insgesamt neun Chefredakteuren und Interims-Bossen zu tun: Ernst-Hans Kühne, Hermann Czekal, Georg Novotny, Karl Drechsler, Richard Schmitt, Klaus Herrmann, dem Duo Christian Kitzmüller und Andi Schwantner sowie zuletzt Alexandra Halouska, die 2020 mit nur 32 Jahren als erste Frau auf dem Chefsessel der „OÖ-Krone“ Platz nahm.
„Seemannsgarn“ wünscht ihr viel Glück: Ohne Claudia wird sie es in Zukunft schwerer haben, jeden Tag eine gute Zeitung zu machen.